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Risiko- und Chancenmanagement sind zwei Seiten derselben Medaille

Angeregt durch das Buch über industrielle Megaprojekte (dazu habe ich schon einen Blog geschrieben), habe ich mehr Literatur aus dem Bereich industriellen Projektmanagements gelesen. Faszinierend ein vorwiegend von Norwegern geschriebenes Buch über Risikomanagement (Risk Navigation Strategies for Major Capital Projects: Beyond the Myth of Predictability (Springer Series in Reliability Engineering) (English Edition).

Schon im Titel des Buches wird eine grundsätzliche Frage aufgeworfen, nämlich die nach den Grenzen der Planbarkeit. Bringt immer mehr Vorbereitung (die Industrie spricht von „Front End Loading“) bessere Projektergebnisse? Die Antwort der Autoren: Nein! Im Gegenteil. Die Gründe dafür liegen in Erkenntnissen, die nicht zuletzt die Chaos-Theorie geliefert hat. In Zusammenhang mit organisatorischen Fragen habe ich dazu schon vor längerer Zeit eine kompakte Zusammenfassung geschrieben und verweise auf diesen Text  auf meiner privaten WebSite (Seiten 15 und 16).

Was das für das Projektmanagement bedeutet, fassen die Autoren unter Bezug auf industrielle Erfahrungen zusammen:

The current body of knowledge for project control is heavily influenced by developments in production control. There are however some important differences between project control and production control:

  • A project is a unique one-of-a-kind process; production is a repetitive process.
  • A project is exposed to impacts from external environments; production takes place in a sheltered building or enclosure.

Das Argument ist so einfach wie schlagend, denn wir wissen alle, dass ein zentrales Merkmal von Projekten eben die Einmaligkeit ist. Trotzdem wird immer wieder ein Typ von Planbarkeit als Ideal dargestellt, als handelte es sich um einen Wiederholprozess. Aber dass mehr Planung im voraus das Ergebnis ab einem gewissen Maß nicht verbessert und daher unökonomisch ist, ist noch nicht alles. Die Autoren argumentieren, dass dies die Ergebnisse sogar verschlechtert. Warum? Weil damit Projekte aufgesetzt werden wie eine Insel, die versucht, sich vom Rest der Welt und von äußeren Einflüssen abzuschotten. Zuerst alles im Detail planen und ab dann Dienst nach Vorschrift. Jede von außen induzierte Änderung wird als Change Request abgehandelt und zunächst geht es immer darum, solche Änderungen abzuwehren. Damit aber wird man der strategischen Bedeutung von Projekten nicht gerecht, denn:

Project strategies often represent an interrelated set of strategies focusing on:

  • The execution process (can it be produced on time and within budget?).
  • Implementation of the project object (will it work as specified?).
  • Project business value (will the project venture be as profitable as expected?).

Depending on the nature of the strategy, project control may be reduced to the classical perspective which ensures the work scope is either carried out on time and within budget or is expanded to include requirements related to operability and business value. The latter concerns often introduce conflicts of interests concerning  the prioritizing between:

  • Issues related to project completion (work scope, time and costs).
  • Issues related to facility operation (implementation, operability).
  • Issues related to business value (life cycle costs, net present value, reputation).

Depending on the aggressiveness of the strategy, project control must respond to several challenges including:

  • More of the same.
  • Incremental improvement.
  • Radical change.

An incremental improvement could relate to a technical upgrade of some sort or a reduction in project execution costs or time by, say, 5%.  A radical change could mean a brand new technical process, equipment that has not been used before, or a cut in project execution costs or time by, say, 50%.

To address these kinds of challenges, the project manager must master a variety of project control skills. We will introduce a skeleton of the nature of such skills in the form of the following concepts:

  • Definitive navigation concepts.
  • Defensive navigation concepts.
  • Adaptive navigation concepts.
  • Offensive navigation concepts.

Während die „definitive navigation concepts“ das klassische, deterministische und Änderungen abwehrende Projektmanagement verkörpern (das in gewissen strategischen Situationen die einzig richtige Vorgehensweise ist), sind „offensive navigation concepts“ notwendig, um Chancen durch Änderungen der Ziele und/oder der Rahmenbedingungen des Projektes zu nutzen.

Dazu später mehr, aber vielleicht habe ich damit auch motivieren können, das Buch zu lesen. Es ist nicht billig, aber es lohnt sich.

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