in Projektcontrolling, Projektmanagement - Praxis, Psychologie des Projektmanagements

You get what you measure. Oder: Steuern durch Projektcontrolling

BTW: English version here

„You get what you measure“ hört man oft, vor allem von Managern börsennotierter, amerikanischer Unternehmen. Die Schlussfolgerung daraus ist, man müsse alles messen, was wichtig ist, denn nur dann wird es geschehen.

Es lohnt sich, hier etwas tiefer zu forschen. Aus der Physik lernen wir, dass der Messvorgang Teil jedes Messergebnisses ist. Es macht keinen Sinn, sich eine Realität (das Kant’sche „Ding an sich“ oder die „objektive Realität“) vorzustellen, die durch einen Messvorgang dann mehr oder minder korrekt abgebildet würde. Es gibt keine Realität unabhängig von unserer Beobachtung, die man im Sinne des Höhlengleichnisses mit unserer Wahrnehmung vergleichen könnte.

Der Projektfortschritt z.B. ist ein Konstrukt und je nach Definition wird im Projekt anders gearbeitet, Entscheidungen fallen anhand anderer oder zumindest anderer Gewichtungen der Entscheidungskriterien.  Durch die Messung wird also das System verändert, das man beobachtet. Das bestätigt das anfangs zitierte Management-Mantra, allerdings lenkt es den Blick darauf, dass die Definition der Messgrößen (Metriken) und das Messverfahren eine gravierende Intervention zur Veränderung des Systemverhaltens sind.

Der Projekterfolg wird durch die Eckwerte des „magischen Dreiecks“ gemessen, also Ergebnis, Termin und Aufwand. Wie wird das Ergebnis gemessen? Mögliche Metriken sind z.B. Function Points, abgearbeitete Tickets, Planaufwand abgenommener Arbeitspakete usw. Wie die Termintreue? Anhand des Forecasts des Endtermins, den tatsächlich erreichten Terminen von Meilensteinen oder auf einer detaillierteren Ebene? Und rechnet man beim Aufwand alle Aufwände mit; bei IT-Projekten werden regelmäßig die Aufwände der künftigen Anwender für Spezifikation und Fachtest nicht oder nur sehr fragmentarisch erfasst („Eh schon da“-Kosten), man konzentriert sich auf die von externen Dienstleistern verrechneten Kosten. Je schlechter ein Projekt läuft, umso mehr Kostenarten fallen unter den Tisch und gerne drückt man zwischendurch die Reset-Taste und fängt mit einer neuen Zählung an.

Je nachdem, wie ich meine Messgrößen im Projektcontrolling definiere, wie oft ich messe und wie genau ich messe, wird die Arbeitsweise eines Projektes verändert. Es geht also nicht einfach darum, das richtige Messverfahren zu finden, um die „Wirklichkeit“ des Projektes zu erkennen, sondern man greift durch das Controlling massiv in das Projekt ein und muss dies ganz bewusst tun. Denn: „You get what you measure“ und das ist nicht immer das, was man erreichen wollte. Also Vorsicht bei der Wahl von KPIs. Und immer mit dem Pygmalion-Effekt rechnen, auch beim Projektcontrolling.

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